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Smart, aber tot

Maschinenraum – Die Kolumne von Walter Gröbchen in Kooperation mit der „Presse am Sonntag” hörst Du jeden Sonntag um 14.30 Uhr auf LoungeFM. Diese Woche mit dem Thema: Televisionen? “Fernsehen” wird, sorry ORF, RTL, ATV & Co., bald ganz anders aussehen.

Martin Scheffler Inkognito.de

„Fernsehen stirbt nicht!“ – so plakativ und beschwörend lautete anno 2013 das Resümee einer Veranstaltung in Hamburg, die jährlich unter dem Titel „newTV Kongress“ abgehalten wird. Diese Expertentagung findet, wie die Homepage verkündet, „vor dem Hintergrund der fortschreitenden Digitalisierung des Bewegtbilds statt” und präsentiert “spannende Praxisbeispiele des Zusammenwachsens von Technologie und Content.“

Aber ist es wirklich ein Zusammenwachsen? Zumindest kein friedliches. Der „Reality Check“ der Branchen-Auguren fiel nicht gerade unkritisch aus. So verkündete etwa Sean Besser, der Executive Vice President of Business Development, Partnerships and Strategy – die skurrile Titelsucht der Amerikaner greift längst auch im europäischen Raum – des „Social TV“-Unternehmens GetGlue, dass interaktives Fernsehen doch tot ist. Oder zumindest scheintot. „Nobody uses Smart TVs“ lautete Bessers Leitsatz. Noch besser: der RTL-Experte Marc Schröder schloß sich ihm an. Er bezeichnete die angebliche TV-Generation von morgen als „Schläfer“ und meinte, diesem angebotsgetriebenen Markt fehlten einfach die Produkte.

Tech-Blogs wie neuerdings.com unken: “Das Internet auf dem Fernseher steht schon ungefähr so lange “kurz vor dem Durchbruch” wie der sagenumwobene Internet-Kühlschrank, der abgelaufene Lebensmittel selbst nachbestellt. Und wahrscheinlich wird beide Ansätze dasselbe Schicksal ereilen: Sie werden nie mehr ihren Durchbruch erleben.” Punkt. Kein noch so hochgezüchteter Flachbildschirm hätte gegen ein aktuelles Tablet oder Smartphone eine Chance. Aber ist nicht „Smart TV“ dennoch das, was uns Fernseher-Fabrikanten, Elektrofachhandel, TV-Sender und Medien-Gurus ungebrochen als “next big thing“ einreden?

Bezeichnend: während etwa im ORF intern über „Second Screen“-Experimente wie spezielle Apps zu Sportereignissen oder zur kommenden Nationalratswahl gestritten wird, überholen neue, reichlich bekannte und (bislang) auch unbekannte Player aus dem Web-Universum mit Karacho die alten Fernseh-Hausmarken. Netflix z.B., ein in den USA beheimateter On Demand-Anbieter, produziert längst eigene Serien (etwa den Beuschelreisser „Hemlock Grove“ oder das 76 Millionen Dollar teure Polit-Drama „House of Cards“), die vorrangig im Netz abgespult werden. Auf Wunsch und gegen Bezahlung ohne Werbung und in einem Rutsch. Mit Verspätung folgen irgendwann Abo-TV-Stationen und die üblichen Verdächtigen.

Wenn aber jene Sitten einreissen, die derzeit unter Serien-Junkies gang und gäbe sind – alle meine Bekannten haben längst „Game of Thrones“, „Homeland“ und all die anderen US-Hits irgendwo runtergeladen und gesehen –, kommt einerseits bei Teilen des Publikums in Zukunft nur mehr das große Gähnen auf, andererseits brechen aber den Platzhirschen dank des Verlusts des “Endgeräte”-Monopols – dem Seher ist der Übertragungsweg schlichtweg schnurz, sofern das Angebot stimmt – die Finanzierungssäulen weg wie nix. Und dabei haben Apple, Google, Yahoo, Amazon & Co. noch gar nicht richtig die Einschalttaste gedrückt.

Bild: Martin Scheffler / Inkognito.de


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