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Auszeit, Entspannung

Reisenotizen #01: Zuhause, auf einem Teppich in der Wüste

Journalistin und Bestseller-Autorin Waltraud Hable lebt seit sechs Jahren aus dem Koffer und ohne festen Wohnsitz. Für die LoungeFM-Community schreibt sie über Momente, in denen sich die Fremde plötzlich nach Zuhause anfühlt. 

Fotocredit: Unsplash, Waltraud Hable

Ich weiß, man steigt nicht zu Fremden ins Auto. Und schon gar nicht tut man es nachts, um in einen abgelegenen Spot in der Wüste von Süd-Sinai zu fahren. Dorthin, wo es keine Straßenbeleuchtung gibt und der Handyempfang nur noch schwache Signale sendet. Und trotzdem sitze ich jetzt hier, auf dem Beifahrersitz eines alten, verstaubten Autos – neben einem Mann, dessen Namen ich gerade erst erfahren habe. Sameh. Das heißt auf Arabisch ‚der Vergebende‘. Und eine gewisse Sanftheit ist ihm nicht abzusprechen. 

Der Unbekannte mit dem Katzenfutter und dem Café.

Immerhin verfüttert Sameh täglich einen 7-Kilo-Sack Futter an Streunerkatzen. Und auch wenn ich ihn nicht wirklich kenne, ich weiß zumindest, wo er arbeitet. Er betreibt ein kleines Café in Dahab, das eine stille Oase auf einer staubigen, ungepflasterten Straße ist, auf der man sonst nur Ziegen, Straßenhunde und das Meer trifft. Nicht die besten Argumente für diesen nächtlichen Spontan-Trip, klar. Aber jetzt ist es nun mal so. Ich atme tief durch und wir brettern los. 

Die Wüste ist mucksmäuschenstill.

Anders als im Wald, im Dschungel, am See, am Meer, wo immer etwas kreischt, zwitschert, zirpt, brummt, blubbert, rauscht oder quakt, scheinen hier alle Geräusche ausgeknipst zu sein. Man hört nur den Wind und seinen eigenen Herzschlag. Dass Moses nicht weit von hier die 10 Gebote geflüstert bekommen haben soll, passt schon irgendwie. In dieser Stille ist die Verbindung nach oben offenbar gut. 

Ein Teppich, der alles besser macht.

Sameh öffnet den Kofferraum und holt einen Fleckerlteppich heraus, groß genug, dass zwei Leute darauf sitzen können. Ägypten und die Liebe zu Teppichen sind ein eigenes Kapitel. Teppiche gehören zum Alltag wie der Tee oder das Staubkorn im Wind. Jeder hat welche – für den Garten, als Unterlage am Strand, für Gäste zum Sitzen, zum Chillen in der Wüste. Und als Sameh den Teppich, ohne zu sprechen, im Wüstensand ausbreitet und wir uns darauf niederlassen, um auf die fernen Lichter von Dahab zu blicken, fühlt sich alles nicht mehr so fremd und dunkel an. Die Wüste wird weich, wie der Teppich unter mir. Fast wie Zuhause. 

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